Knochenbrecherkohorte
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Die Geschichte von Windchen

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Beitrag von Eryl Di Jul 06, 2010 7:24 pm

Vorwort:
Eryls Geschichte ist lange und besonders meine ersten Wochen mit ihm waren voller RP.
Ich gebe zu, meine ersten rp kontakte waren nicht so der hit aber im grossen und ganzen hatten wir ne menge Spass.

Die Idee Eryls Geschichte mal auf Papier zu bringen sass mir schon lange im Nacken. Nur das Durchhaltevermögen dafür fehlte mir bisher.
Avaniel hat ja schon einen Thread zu dem Thema eröffnet, aber Eryls Geschichte wird zu lange sein, um als eine Antwort auf eure kurzen, dezenten Zusammenfassungen zu sein.
Smile
Ich hoffe ihr habt Spass beim Lesen von Windchens Geschichte.

Ps: "Windchen" nannte man ihn damals, weil er wie ein Windhauch war. Klein, zart und nur zu bemerken, wenn man genauer hinsieht. *g* Daher auch sein Nachname. Windhauch.
Eigentlich heisst Eryl "Eryl Arien Sonnenstolz". Das wird er aber vermutlich niemals rausfinden. *g*
LG Das Cora


1

„Eryl? ERYL!“, dröhnte es durch die schwere Holztür und der Elfenjunge wachte mit einem Fiepsen aus seinem Traum auf.
Er sah sich erst einmal verwirrt um, ehe seine blauen Augen blinzelten, als sie, vom Licht der durch ein Fenster hereinscheinenden Sonne, geblendet wurden. Erschrocken sprang er auf, und zog sich die Leinenhose über, die neben seinem Strohbett auf einem kleinen Holzhocker lag.
„Komme!“, schrie er nach draussen und eilte zur Tür, die er sogleich aufriss.
Als ihn aber ein grimmiges, altes Gesicht begrüsste, schrie der Junge entsetzt auf und sprang sogleich wieder nach hinten. Doch der Alte starrte ihn nur an. Streng deutete der alte Mann auf den Hof ausserhalb des Stalles, in dem Eryl schlief.
„Die Arbeit macht sich nicht von selber, Bengel. Also los, mach‘ dass du rein kommst!“
Der junge Elf zwängte sich geschickt an dem alten Menschen vorbei und war blitzschnell im Haus. Kaum war die Türe geöffnet, schlugen dem Kind viele Geräusche entgegen. Lautes Gemurmel, Klirren und Zischen überall. Hinter dem Tresen des Gasthauses huschte er wie ein kleiner, rotschöpfiger Schatten davon Richtung Küche und dort auch gleich zum dreckigen Geschirr.
Als der Abend kam, war Eryl mit dem letzten Abwasch fertig. Er räumte die Kessel und Teller weg und gähnte müde. Doch er wusste, dass sein Arbeitstag noch nicht ganz vorüber war. Leise und möglichst unauffällig bewegte er sich zum Tresen und sah auf seinen Ziehvater, der dort gerade mit einem jungen Mann sprach.
Irgendwann sagte sein Ziehvater:
„Eryl, bring den Herren nach oben. Zimmer vier.“
Eryl nickte eifrig und wuselte schnell hinter dem Tresen hervor, verbeugte sich, wie man es ihm beigebracht hatte.
„Wenn der Herr mir bitte folgen würde…“
Er eilte voraus zu den Treppen und nach oben, wo er binnen Sekunden bei der entsprechenden Tür war. Diese wurde von Eryl geöffnet und er lächelte dem Gast freundlich zu.
Als dieser neben Eryl stand, sah er ihn lange an und brummte:
„Du bist ein hübscher Junge…“
Die linke Hand des Mannes fand ihren Weg zu Eryls Wange. Sogleich zuckte der Junge heftig zusammen. Er zitterte.
„Das sagen viele, Herr.“, stammelte er aus der Fassung gebracht. Er verstand nicht, warum der Mann ihn unbedingt berühren wollte.
„Ja das sagen viele. Und jetzt nehmen sie ihre Dreckigen Finger von meinem Sohn!“, kam es finster von der Treppe her. Der Fremde zuckte mit der Hand sogleich zurück und sah zu dem alten.
„Ach, ihr Sohn? Verstehe. Wie viel für eine Nacht?“
„Den abgemachten Preis für das Zimmer. Ich hoffe doch, Ihr meintet jenes oder? Ansonsten rufe ich die Wachen und lasse Euch auf der Stelle abführen.“, gab der Alte kalt zurück und starrte den Mann an, der sich auf diesen Kommentar hin grummelnd in sein Zimmer zurück zog.
Eryl zitterte leicht vor Schreck, wurde aber von seinem Vater sanft an der Hand genommen.
„Keine Angst mein Kleiner. Solange ich da bin tut dir niemand ein Leid an. Versprochen…“
Eryl lächelte seinem Vater zu, warm und glücklich, denn der Alte war zwar streng, aber sorgte dennoch gut für ihn.

Und so verstrichen die Jahre. Scheinbar ohne grosse Wirkung auf Eryl. Er wurde etwas grösser, war aber immer noch sehr jung, als sein Vater immer älter wurde und schliesslich an einem kalten, regnerischen Herbsttag in die sanfte Umarmung der Erde gebettet wurde.
Eryl war der einzige, der an die Beerdigung gekommen war. Seine Haare klebten nass an seinem Gesicht und die Tränen mischten sich mit den Regentropfen.
Die Zeremonie war vorbei und Eryl wusste einfach nicht, wohin er nun gehen sollte. Er war alleine…
„He Langohr!“, kam es leise von hinten. Eryl sah sich um und blinzelte als er ein paar Jungs sah. Sie sahen heruntergekommen aus. Ihre Kleider waren zerrissen und ihre Haare verfilzt. Dreck zierte ihre Gesichter.
„Ja du!“, sagte der grösste von ihnen, „Bist du alleine?“
Eryl sah wehmütig auf das frische Grab und nickte langsam, traurig.
„Ja, das bin ich.“, sagte seine sanfte, zarte Stimme und seine tränengefüllten, blauen Augen sahen zu den anderen Jugendlichen.
„Dann komm her, wir können ein paar zusätzliche Hände gut brauchen!“, meinte der schwarzhaarigem grossgewachsene Junge.
„Ich bin Rayd. Und wer bist du?“
„Eryl“, entgegnete der Elf leise.
„Gut, Eryl. Komm mit, wir zeigen dir mal unsere Bude.“

Was Rayd so vielversprechend als „Bude“ bezeichnet hatte, stellte sich nach einiger Laufzeit als ein verlassener, verkommener Schuppen ausserhalb der Mauern Sturmwinds heraus.
Zugewuchert und zerfallen stand die Hütte etwas abseits des Wegrandes im Wald. Entsetzt sah Eryl auf das, was laut Rayd sein zukünftiges Zuhause sein würde.
Drinnen sah es noch ungemütlicher aus. Spinnweben überall und in einem Zimmer lagen viele alte, verbrauchte und filzige Pelze herum.
„Ist nicht viel, aber es ist Trocken und im Winter windgeschützt.“, sagte Rayd freundlich und klopfte Eryl auf den Kopf.
„Zieh‘ also nicht so ein Gesicht. Du wirst dich schnell eingelebt haben.“

Und so war es auch. Sie lebten ein Leben in den Schatten. Sie stahlen, was vor allem Eryl immer grosse Mühe bereitete. Er war nicht gut darin Dinge zu nehmen, die ihm nicht gehörten. Und so wurde er immer wieder dabei erwischt und landete mit einem versohlten Hinterteil wieder vor den Toren Sturmwinds.
So auch an diesem Abend. Schmollend sass er neben dem Tor, der Hintern brannte wie Feuer und war von Striemen überzogen.
„Du bist echt… ich habe noch nie jemanden so schlecht stehlen gesehen, Eryl. Ernsthaft. Du machst mir Sorgen.“, sagte Rayd kühl. Er starrte den Elfen an, als er ihn wie immer dort abholte, „Das kann so nicht weiter gehen. Die Jungs und ich haben entschieden. Wenn du bei uns bleiben willst, musst du einen Test bestehen.“
„Einen Test?“, fragte Eryl, wurde dann mitgenommen.
„Eryl, da du scheinbar als Dieb nicht taugst, werden wir dich testen. Deinen Mut und dein Können. Gelingt es dir, darfst du bleiben. Versagst du, bist du von uns ausgeschlossen und musst auf dich selber aufpassen in Zukunft.“, erklärte Rayd, als sie alle zusammen in der Hütte sassen.
Eryl liess den Blick kurz sinken, ehe er sich fing und hochsah.
„Und wie geht der Test?“
„Simpel. Du reist gen Süden. In einigen Tagen erreichst du das Schlingendorntal. Dort suchst du einen Friedhof der Trolle und klaust einen Hauer. Mehr wollen wir nicht.“
Eryl zog scharf die Luft ein und starrte sie alle an.
„Was?! Aber… aber das ist Wahnsinn! Trolle sind mindestens vier Meter hoch! Und fressen ein Pferd in einem einzigen Haps! Ich kann doch keinen ihrer Friedhöfe plündern!“
„Tu es, Eryl, oder du bist raus.“, meinte Rayd schlicht, „So einen Hauer können wir gut zu gold machen. Und damit können wir uns für den Winter eindecken. Also worauf wartest du noch?“
Eryl hielt inne. Ach… da ging ihm auf einmal das Licht auf. Natürlich! Verkaufen!
„Und.. das wird reichen? Für den ganzen Winter?“, fragte er leise und sah unsicher in die Runde. Alle nickten. Also nahm sich Eryl ein Herz.
„Na gut. Ich tue es. Für uns!“
Er grinste und stand auf.
„Wir sehen uns bald!“
Damit eilte er regelrecht nach draussen. Er packte seinen langen Stock und sein Cape und machte sich auf. Gen Süden.
„Rayd… musste das sein?“, fragte einer der Jungen traurig, „Er war zwar tollpatschig aber nett.“
„Er war eine Last. Und ein Maul, das nur gegessen hat ohne selber beizutragen. Er wird den Ausflug abbrechen und abhauen oder nicht überleben. So oder so sind wir ihn los.“, gab Rayd nur kalt von sich. Damit war das Thema beendet.

2


Eryl war wirklich Tage unterwegs. Er folgte den Wegweisern nach Süden, durchquerte weite steppige Landschaften und dichte, finstere Wälder, ehe er schliesslich in einer Schlucht war, die zum Dschungel führte.
Er sah unsicher in die Tiefen des Urwaldes hinein und biss sich auf die Unterlippe. Da hinein? Doch beim Gedanken an seine Freunde wurde sein Herz wärmer.
Seine Schritte führten ihn tief in den Urwald hinein. Unsicher und ängstlich sah er sich um. Duckte sich, sobald er etwas rascheln hörte. Doch irgendwann fand er einen kleinen Weg, der in den Urwald hinein ging und folgte diesem.
Seine Schritte wurden langsamer und er horchte angestrengt in die Wildniss um ihn herum. Nichts. Nur das Zirpen einiger Insekten, sowie das Singen vieler Vögel.
Irgendwann knirschte es unter seinen Füssen, als er auf eine kleine Lichtung kam. Eryl sah nach unten, zuckte heftig zusammen, als er sah, dass es sich um einen Knochen handelte.
Als er sich in seiner Hektik umsah, wurde ihm nicht langsam bewusst, wo er gerade war. Knochen.
Überall um ihn herum Knochen und alte, sandgefüllte Krüge mit den Gebeinen mumifizierter Wesen. Alles wirkte zerfallen und uralt, wie ein lang vergessener Ort. Zwischen den Krügen wuchs Unkraut und an einigen Gebeinen hatte sich bereits Moos gebildet.
Die Schädel waren riesig und bespickt mit grossen Hauern.
„Ich.. habs geschafft! Ich habs gefunden!“, gab Eryl entzückt von sich. Kaum gesagt, sprang er auf eine der Mumien zu und betrachtete sie prüfend, ehe er den Hauer ergriff und daran zu zerren begann. Es knirschte leise und irgendwann riss Eryl den Hauer mit Wucht los. Zumindest dachte er das, bis er auf den Hintern landete und den ganzen Schädel gleich mitgerissen hatte.
„WAH!“, quietschte der Junge erschrocken und liess den Schädel vor Schreck fallen. Er rollte nicht weit, da die grossen Hauer den Schädel binnen Sekunden stoppten.
Unsicher sah Eryl auf den Trollschädel und brummte unzufrieden. Er _musste_ diesen Hauer bekommen! Am besten beide…
Entschlossen stand er auf und starrte in die leeren Augenhöhlen. Er würde den Schädel einfach zertreten und beide Hauer mitnehmen! Zufrieden über diese Idee hob er den Fuss und holte auf. Doch als neben ihm ein lautes, entsetztes Grunzen erklang, erstarrte der Junge mitten in der Bewegung. Langsam drehte er den Kopf zur Seite und starrte auf den Troll, der direkt neben ihm stand, halb aus dem Unterholz kommend.
Ihre Blicke trafen sich und die Lichtung hüllte sich in tiefes Schweigen. Stille.
Beide verharrten genau da wo sie waren. Schliesslich verfinsterte sich die Mine des Trolls. Ein tiefes grollendes Knurren stieg aus der breiten Brust des Wesens hervor, als er sich aus dem Unterholz in die Lichtung bewegte.
Je näher der Troll kam, desto kleiner wurde Eryl. Er zog den Fuss wieder ein, duckte sich und zitterte, als der zwei Meter hohe Troll sich vor ihm auf aufbaute. Seine blauen Augen sahen entsetzt nach oben, in die stechend gelben Augen des rothaarigen Monsters.
Irgendwann bewegten sich die Arme des Trolls und Eryl rannte hals über Kopf in den Urwald hinein. Hinter ihm hörte er laute, wütende Schreie in einer Sprache die er nicht kannte und die so fremd schien wie alles an diesem verfluchten Wald.
Eryl rannte so schnell er konnte, sah nicht zurück, sprang über umgefallene Baumstämme, huschte unter niedrigen Ästen hindurch und erreichte irgendwann einen Fluss. An diesem blieb er stehen und rang erschöpft nach Atem. Er sah nach hinten, horchte… Doch nichts war zu sehen oder zu hören.
„Ha…haaa….hahahahaha!“, begann Eryl laut zu lachen, als er sich bewusst wurde, wie knapp er dieser Kreatur entkommen war. Er legte sich die Hand auf die Stirn und lachte schallend, ehe er laut aufseufzte und umdrehte- nur um mitten in der Bewegung gegen etwas sehr grosses zu stossen. Er taumelte zurück und sah hoch, sah sich einem riesigen, alten Troll entgegen.
Das zerfurchte Gesicht grinste böse und er hob seine Hand, ballte sie zur Faust und liess diese in den Magen des Jungen rasen.
Eryl gab noch einen erstickten Laut von sich, ehe er in die Knie ging und die Welt vor seinen Augen schwarz wurde.
Geräusche, dumpf und wie in weiter Ferne, drangen langsam in das Dunkel und liessen den Elfen langsam wach werden. Er fühlte sich wie erschlagen, sein Kopf dröhnte, sein Magen schmerzte und die Fesseln schnürten ihm regelrecht den Atem ab und- Fesseln?!
Mit einem Ruch war Eryl wach und riss die Augen auf. Um ihn herum schlenderten Trolle, sassen beisammen, assen an einem Feuer oder rauchten irgendwelche Pfeifen. Grosse, kleine, männliche und weibliche.
Beim Umsehen merkte er, dass er etwas an der Seite der Siedlung an einem Baum gefesselt war. Die Arme hinter seinem Rücken zusammengebunden und eng an den Stamm gedrängt.
Auf einmal hörte Eryl direkt neben sich lautes gerede. Als er den Kopf zur Seite drehte, erkannte er die beiden Trolle, auf die er vor kurzem gestossen war. Den jungen und den alten. Beide sprachen aufgebracht mit einem sehr alt wirkenden Troll, der irgendwelche Kräuter in einem Mörser zerstampfte. Der alte hörte nur still zu und starrte dabei Eryl an. Eines der Augen war verblasst und mit einem matten Grauschleier überzogen. Beide Hauer waren schon angerissen und verkerbt von unzähligen Kämpfen aus der Vergangenheit.
Als der kalte, starrte Blick des Alten in Eryls Augen fiel, duckte sich der Elf und sah zu Boden. Er war sich ziemlich sicher, sie sprachen von ihm…
Irgendwann erhob der Alte das Wort. Er sprach leise, wütend aber beruhigend auf die anderen ein. Er erhob sich, die Glieder leise knirschend, und schlurfte langsam auf den Elfen zu.
Dort angekommen, packte er das Kinn des Jungen unsanft und zwang ihn, den Kopf zu heben. Kurz darauf spürte Eryl, wie man versuchte ihm die Kräuter einzuflössen. Als Eryl versuchte sich dagegen zu Wehren, legte der Alte seine Finger leicht hinter die Kiefer des Elfen und drückte den Mund gewalltsam auf. Es tat weh, weshalb Eryl sich schnell geschlagen gab und die bittere Masse zu schlucken begann. Der Alte brabbelte leise Worte und seine Finger glühten grünlich.
Eryl hustete qualvoll und riss die Augen auf, als es in seinem Magen zu brennen begann. Er wimmerte und krümmte sich, soweit es die Fesseln zuliessen.
Der Alte brabbelte weiter und irgendwann wurde das Gebrabbel deutlicher, bis Eryl hörte:
„…önnen wir ihn gleich selber Fragen.“
Trotz der Schmerzen sah Eryl sofort hoch und den alten Troll an.
Dieser grinste dreckig.
„Hast’s verstanden eh?“, fragte er und als Eryl ihn einfach nur fassungslos ansah, lachte er schäbig, „Aye haste.“
„Mach‘ ihn los, Tok‘raz.“, knurrte eine tiefe Stimme von der Seite und Eryls Kopf drehte sich mit einem Ruck um. Es war der erwachsene Troll, der ihn böse ansah und tief knurrte.
Der junge Troll nickte eifrig, eilte zu Eryl und löste die Fesseln. Schüchtern stand Eryl auf und wollte gerade den Dreck von seinen Hosen wischen, als er an der Kehle gepackt und brutal gegen den Baum gepresst wurde. Eryl röchelte entsetzt und zappelte gut einen Meter in der Luft.
„Wer bist du, und was hattest du mit dem Schädel meines Bruders vor, du widerliches, blasses Langohr?!“, wurde sofort losgebrüllt und der grosse Troll knurrte ihn wutentbrannt an.
Eryl hatte schreckliche Angst. Dementsprechend leise und schniefend kam seine Antwort:
„Ich w-wollte doch nur… meine Freunde… der Hauer… Geld…“
Der Troll verpasste Eryl so eine harte Ohrfeige, dass dieser einen Moment nur Sterne sah.
„Red‘ gefälligst deutlich, Pisself!“
Eryl schniefte leise und versuchte verzweifelt wenigstens etwas ruhiger zu werden.
„Wir hatten nicht genug Essen, wir brauchten ganz dringend Geld und- und Trollhauer sind sehr wertvoll für die Menschen, darum wollte ich einen besorgen…“
Der Troll starrte ihn an.
„Du sagst mir du störst die Überreste meines Bruders weil du für dich und deine jämmerlichen Leute Essen besorgen wolltest?!“
Eryl nickte und kniff die Augen zu, da er schon den nächsten Schlag erwartete. Doch der Troll grunzte nur barsch und liess den Elfen zu Boden fallen. Unsanft landete dieser auf dem harten, kahlen Grund und duckte sich schniefend.
„Ein Glück für dich, dass wir den Schaden beheben konnten. Sonst wärst du längst tot du Wurm. Du bleibst hier. Und wenn die Zeit sich ergibt, wirst du sterben. Um uns zu eine Mahlzeit zu sein, oder ein Opfer für Samedi, dessen Garten du mit deinen dreckigen Füssen beschmutzt hast. Tok’raz, mach ihn wieder fest. Damit er nicht weglaufen kann. Er bekommt kein Essen und kein Wasser, bis wir den Käfig für ihn fertig haben. Nicht, dass er noch genug Kraft hat einen Fluchtversuch zu wagen.“, knurrte der Troll finster und wandte sich ab.
Als der jüngere Eryl wieder unsanft mit den Fesseln „beglückte“, drehte er sich jedoch nochmal um:
„Ein Wort, Elf. Ein Wort, ein Blick, eine Bewegung die mir nicht passt und ich werde dir alle Knochen im Leibe brechen. Verstanden?!“
Eryl nickte ohne den Troll anzusehen. Die beiden Trolle zogen sich zurück, nur der Alte blieb noch und betrachtete Eryl, der mühsam jeden Laut unterdrückte, als ihm die ersten Tränen die Wangen runter rollten.
„Grrm… Irgend einen Grund hat es, dass du hier auftauchst, Kleiner. Ich weiss noch nicht welchen, aber kein Wesen ausser uns hat jemals den alten Friedhof gefunden. Es muss einen Grund für dein Auftauchen geben. Ich denke, ich werde die Knochen dazu befragen.“
Mit diesem Gemurmel verschwand dann auch der Alte.
Eryl verbrachte die ersten Tage an den Baum gebunden. Er bekam keinen Bissen zu essen, trank, was der Himmel jeden Abend über der kleinen Siedlung ergoss und das Erbarmen hatte, auf ihn nieder zu fallen.
Er streckte die Zunge raus, öffnete den Mund und nahm auf, was ihn erreichte. Es war nicht viel, doch nach einigen Stunden hatte Eryl genug, um nicht zu verdursten.
Irgendwann jedoch kam Tok’raz wieder zu ihm. Er starrte ihn finster an und knurrte drohend, ehe er die Fesseln löste. Eryl wehrte sich nicht. Als er hochgezogen wurde, stolperte er jedoch. Seine Beine gaben nach und brachen unter ihm zusammen. Hätte der junge Troll ihn nicht hart im Griff, wäre er zweifelsfrei umgefallen.
Er wurde zu einem Käfig geschleppt. Im Grunde war es mehr ein Gehege. Ein kleiner Kreis von Stämmen. Zu hoch sie zu erklimmen, jedoch nicht eng genug, sich nicht zwischen ihnen hindurch zwängen zu können. Das Gefängnis stand neben dem Hauptplatz der Siedlung. Dort, wo ihn jeder im Auge behalten konnte.
Verwirrt sah Eryl auf das Gebilde und wurde hineingeschoben. Doch kaum drinnen, kam der Alte Troll wieder. Er packte die Hand des Jungen und ohne dass dieser reagieren konnte, verpasste der Trollopa dem Elfen einen kleinen Schnitt auf die Hand. Er grinste, als der kleine entsetzt aufjapste und nahm mit seinen Klauen dessen Blut aus der Schnittwunde.
Dann ging er raus, lief einmal im Kreis, seine blutige Kralle dabei in die Stämme ritzend, bis er wieder an seinem Ausgangsort angekommen war. Er brabbelte derweilen irgendwelches Kauderwelsch und nickte dann zufrieden auf die Trolle.
„Er kann den Käfig nicht verlassen, ausser der Kreis wird gebrochen.“, verkündete er und sah auf Eryl.
„Versuchs. Versuch den Käfig zu verlassen, Kleiner.“
Eryl sah auf die Stämme. Naja, weit genug auseinander waren sie. Aber unsicher wie er war, streckte er erst einmal einen Finger aus. Als er zwischen den Stämmen versuchte nach draussen zu fassen, glühten die beiden Stämme auf und verpassten Eryl einen kräftigen Stromschlag. Eryl schrie mehr vor Schreck als Schmerz auf und riss die Hand zurück. Er starrte auf die Stämme.
„Gut gemacht, Raa’zan.“, sagte der grosse Troll, den Eryl mittlerweile als Anführer dieses Stammes erkannt hatte. Der Alte grunzte nur leise.
„Merk‘ dir meine Worte Korr. Irgendwas ist mit dem Kleinen. Die Knochen lügen nicht. Der Sommer in Zehn Jahren wird zeigen, wofür er gut ist. Schade, dass ich das nicht erleben werde.“
Verwirrt hörte Eryl den Trollen zu und sah sich in seinem „Zuhause“ um. Nicht mal Stroh hatten sie ihm gegeben. Nur der kalte Boden, auf dem er schlafen konnte. Er liess den Kopf hängen. Die Trolle zogen sich zurück.
Er setzte sich auf den Boden und seufzte.
Nach einigen Stunden jedoch tat sich etwas. Eine der Trollfrauen kam auf Eryl zu, in ihren Händen hielt sie eine Schüssel. Eryl sah von unten hoch und legte den Kopf fragend schief, als sie ihm die Schale vor den Käfig auf den Boden stellte und ihn dann gänzlich unbehelligt in dessen Innere schob. Ein kurzer Blick verriet Eryl: es war eine Suppe!
Er riss die Augen auf, kroch auf allen Vieren blitzschnell auf sie zu und packte die Schüssel, riss sie ausser Reichweite für die Trollin und begann gierig zu Trinken. Er verbrannte sich dabei erst mal die Zunge, aber das war ihm egal. Endlich hatte er etwas zu essen!
Die Trollin sah ihn dabei an und musste irgendwann lachen. Sie hielt sich dabei sogar die Hand vor den Mund und grinste.
„Ganz schön gefrässig. Aber du hattest auch fünf Tage nichts, hrm?“, fragte sie leise und einen Moment klang es fast als hätte sie Mitleid mit dem Jungen.
Eryl sah sie misstrauisch an, als er die ganze Schüssel leer hatte und nickte leicht.
„Nicht nur die fünf Tage… Die drei davor hatte ich auch nichts.“, gestand er leise.
„Hast du keine Mutter, die dich füttert.?“, fragte sie neugierig, kniete dabei gelassen vor dem Käfig.
Eryl sah zu Boden.
„Ich hatte nie eine Mutter. Papa sagte immer, er hätte mich als kleines Baby auf einem Weg im Schlingendorntal gefunden, in den Trümmern einer Karawane. Meine Familie wurde wohl überfallen und getötet.“
Sie nickte langsam.
„Und warum füttert dein Vater dich dann nicht?“, erkundigte sie sich und Eryl biss sich auf die Unterlippe, ehe er murmelte:
„Der ist auch tot. Er war schon sehr alt… er starb vor einigen Jahren.“
Sie nickte erneut.
„Nicht leicht so ein Leben. Sag, Kleiner. Kannst du irgendwas?“
Eryl sah verwirrt hoch.
„Wie? Was meinen Sie?“
„Naja, kannst du irgendetwas? Kannst du nähen? Holz hacken? Schnitzen?“, fragte sie ruhig und geduldig weiter. Was die Männer der Trolle an Aggressionen und Wut in sich hatten, schienen die Frauen des Stammes an Gelassenheit und Sänfte zu haben.
Eryl dachte nach.
„Naja ich kann Holz hacken, abwaschen… Und ich kann ein wenig mit Leder umgehen.“
Sie nickte nachdenklich.
„Weisst du, man wird dich mehr in Ruhe lassen, wenn du irgendwas tust, was uns von Nutzen ist. Du sagst du kannst mit Leder umgehen? Wenn ich dir Felle bringe, kannst du sie fürs Gerben vorbereiten?“
Eryl nickte und holte tief Luft, ehe er fragte:
„Wenn ich… dafür… noch etwas… Suppe bekomme?“
Er sagte das so langsam und zögerlich, dass die Trollin laut loslachte.
„Natürlich. Wer arbeitet bekommt Futter. Ich hol‘ dir mal n paar Felle.“
Mit diesen Worten stand sie auf und ging davon, liess den Elfen mit gemischten Gefühlen zurück. Naja, war allemal besser als gefressen oder getötet zu werden. Er wartete brav und versuchte gar nicht erst, zu fliehen. Er wusste ja, was ihn erwartete, würde er es nochmal wagen.
Nach nur wenigen Minuten brachte die Trollin ihm frische Felle. An ihnen klebten noch einige Überreste von Fleisch und Fettgewebe. Zu den Fellen bekam Eryl noch einige Fäden, Stöcke und ein langes Messer.
„Zeig‘ mal waste so drauf hast, Kleiner.“, verlangte die Trollin und setzte sich hin, um den Jungen zu beobachten. Dieser sah nachdenklich auf die Felle und die Stöcke. Irgendwann, nach einigen Minuten stillen Grübelns aber, begann er die Stöcke zusammen zu binden. Er fertigte einen stabilen Rahmen, auf den er dann die Felle aufband. Er stellte sie auf und begann mit dem Messer die Überreste von den Fellen zu schaben.
Sie grinste breit über das ganze Gesicht und stand auf, lief zu den Männern des Stammes, die gerade assen, was vor wenigen Stunden noch in den Fellen steckte.
„Korr, sieh dir mal das Langohr an.“, sagte sie leise und grinste gen Käfig.
Der Häuptling sah zum Gefangenen und knurrte:
„Du hast ihm ein Messer gegeben?!“
Sie sah zum Männchen, das sich vor ihr aufbaute und zuckte mit den Schultern.
„Darum geht’s nicht. Der Kleine hat doch nie gekämpft in seinem Leben. Er wüsste nicht mal, wie er es halten sollte um zuzustechen. Aber schau‘ dir mal an, was er damit kann.“
Sie deutete auf die Felle, die Eryl Stück für Stück präparierte und musste grinsen.
„Er scheint nützlicher zu sein als gedacht.“
Korr sah auf den Elfen und knurrte nur schlecht gelaunt, nickte dann aber.
„Naja. Dann erfüllt er immerhin eine Aufgabe. Finde raus, was er noch alles kann. Und bring ihm Wasser.“
Und das tat sie. Sie brachte dem Elfen noch etwas Essen und Wasser, sprach mit ihm und fand raus, welche Werkzeuge er kannte und worin er gut war. Er wirkte so verlassen und hilflos, dass es sogar ihre Abscheu gegen alles nicht-trollische überbot.
Und Eryl arbeitete. Es tat ihm gut, etwas tun zu können, anstatt nur den ganzen Tag an einer Stelle zu sitzen. Und die nette Trollin, die sich mit dem Namen Naa’mi vorgestellt hatte, brachte ihm jeden Tag Essen und Wasser. Obwohl Eryl ein Gefangener war, und dies auch täglich zu spüren bekam, war es irgendwie nicht sonderlich schlimmer, als als elender Dieb ein Leben in Sturmwind zu führen und jeden Tag eine Tracht Prügel zu kassieren.
Auch bei den Trollen kassierte er Prügel, immer dann, wenn er einen der Männer anstarrte. Irgendwann mied Eryl jeden Blickkontakt und wurde in Ruhe gelassen. Einzig und alleine Tok’raz, der Sohn des Anführers benahm sich ihm gegenüber immer hart und brutal. Eryl wurde von ihm angefahren, bei jedem noch so kleinen Fehler. Er Kassierte Schläge und Ohrfeigen wann es dem jungen Troll so passte.

3


Und so verstrichen die Jahre. Eryl wurde ein wenig älter, wuchs zu einem jungen Mann heran. Seine Stimme wurde tiefer und irgendwann spriessten die ersten Barthaare. Der Alte Troll starb in einer warmen, regnerischen Nacht und Tok’raz wurde deutlich erwachsen. Er wurde noch grösser und war ein stattlicher, junger Anführer, der die Arbeit seines deutlich gealterten Vaters übernahm.
In den vielen Jahren gewöhnten sich die Trolle an Eryl. Keiner mochte ihn, aber die wenigsten hassten ihn noch.
Einzig Tok’raz schien ihn wie eh und je zu hassen.
Eryl sass an seinem Platz und nähte ein kunstvoll verziertes Armband aus Leder, als ihm die Schale in den Käfig gelegt wurde. Er sah hoch und lächelte der alten Trollin an, die er mittlerweile gut kannte.
„Guten Abend, Naa’mi. Danke für das Essen. Ich bin gerade fertig geworden.“, sagte er in der Sprache der Trolle. Als der Alte starb, verschwand der Zauber, mit dessen Hilfe Eryl die Trolle verstanden hatte. Doch irgendwann ergab das Gebrabbel der Trolle Sinn. Die Worte begannen sich zu formen und Eryl begann ganze Sätze zu verstehen. Und nach vier Jahren hatte er ihre Sprache gut genug verstanden, sie selber sprechen zu können. Sie wie jetzt.
Naa’mi lächelte und griff in den Käfig hinein und zog das kleine Lederkunstwerk nach draussen und betrachtete es.
„Windchen, deine Hände sind wirklich begabt, das muss ich sagen.“, meinte sie sanft und legte sie das Armband um.
Eryl lächelte nur und zog die Schüssel näher und ass. Er wusste zwar nicht _was_ er da gerade in sich stopfte, aber es schmeckte wie immer gut. Zufrieden zog sie sich zurück und liess den Elfen wieder alleine.
„Denk‘ bloss nicht, dass du noch lange hier den Handwerker spielen wirst, Langohr!“, knurrte es tief neben Eryl. Der Elf zuckte zusammen und sah zur Seite, woher die Stimme kam. Es war Tok’raz, der ihn finster anstarrte.
„Was habe ich dir eigentlich getan?“, fragte Eryl leise. Traurig sah er auf den Troll.
„Das geht dich einen Scheissdreck an, Langohr. Und ich sage dir eines, sobald die Nacht dieser beschissenen Vorhersage des toten Stammesältesten vorüber ist, schneide ich dir persönlich die Kehle auf und verspeise dein Herz.“
Eryl wurde blass. Er stammelte: „A-aber ich habe dir nie- ich meine wieso?!“
„Weil du nicht hierher gehörst. Und freilassen können wir dich nicht. Das wäre zu gefährlich. Also können wir dich nur endlich erlösen.“
Der Troll grinste dreckig und starrte ihn an.
Dann drehte er sich um und ging davon. Naa’mi, die nur wenige Meter neben ihnen sass, sah traurig auf Eryl, denn was der Anführer befahl, würde umgesetzt werden.

Am nächsten Morgen packten alle Männer ihre sieben Sachen. Sie würden einen ganzen Tag jagen gehen, um die Vorräte des Stammes aufzufüllen.
Zurück blieben die alten, die Kinder und die Frauen. Diese grosse Jagd fand jeden Monat zweimal statt.
Was so harmlos begann sollte Eryls schicksalsträchtigster Tag des Lebens werden.
Er nähte niedergeschlagen an einem kleinen Hemd und betrachtete es seufzend, ehe er es nieder sinken liess.
„Tut mir Leid, kleiner.“, sagte auf einmal eine tiefe Stimme. Eryl hob den Kopf und erkannte Korr neben sich. Der Alte Troll lächelte matt.
„Nimm‘ es nicht persönlich. Er hasst deinesgleichen. Weisst du, seine Mutter wurde von einem Wesen getötet, das dir sehr ähnlich sah. Ein Langohrenmann. Einer von vielen. Unser Dorf wurde angegriffen aber wir haben sie niedergestreckt. Ein guter Kampf. Nur leider kam mein Weib ums Leben. Ich schätze er hasst dich einfach weil du bist, was du bist. Einer von denen.“
Eryl sah hoch und seufzte:
„Ah, ich verstehe. Immerhin weiss ich jetzt, was ich ihm getan habe.“
Der Alte grinste nur freundlich, als plötzlich ein lautes Surren an Eryl vorbei schoss und sich, als Pfeil herausstellend, in die Schulter von Korr rammte.
Der alte Troll schrie schmerzerfüllt auf und kippte nach hinten weg. Sofort sprang Eryl auf und sah in die Richtung, aus welcher der Pfeil gekommen war. Schreie wurden laut und brüllende Rufe.
„Umkreist sie!“, schrie eine Männerstimme in der Sprache der Menschen und um die Siedlung herum traten unzählige Ritter aus dem Dickicht heraus.
Besonders einer von ihnen fiel auf. Der Mann war in silbrig schimmernder Rüstung gekleidet und zog sein langes Schwert, als er die Lichtung betrat. Verängstigt scharten sich die Trolle in der Mitte zusammen und standen ihren Feinden hoffnungslos unterlegen gegenüber.
„Da drüben, Herr! Ein Quel’Dorei! Er scheint zu leben!“, rief einer der Soldaten als sie Eryl erblickten und auf einen kurzen Befehl hin eilten die Helfer herbei. Sie rissen die Stämme mit viel Mühe aus der Erde und lächelten dem jungen Elfen freundlich zu.
„Komm raus, junger Mann, du bist frei.“, sagte der Kommandant ruhig und schmunzelte. Er trug einen blonden Vollbart und legte seine Hand freundlich auf Eryls Schultern. Der Elf lächelte zutiefst erleichtert. Endlich frei…
„Danke, Herr. Ich schulde Euch viel.“, murmelte er leise und sah auf die Soldaten und dann zu den Trollen. Sie schienen sich zu fürchten, zumindest wirkte es so. Besonders Korr hatte immer noch den Pfeil in der Schulter und sich selber mit einem Speer ausgerüstet.
„Nun dann, Soldaten. Räumt auf, dann gehen wir.“, befahl der Kommandant und die Soldaten zogen ihre Schwerter. Eryl zuckte heftig zusammen, als sie sich auf die Trolle zubewegten.
„Halt! Moment! W-was habt Ihr vor?“, fragte Eryl den Paladin entsetzt und sah ihn an.
„Na was wohl. Wir planen diesen Angriff seit Wochen. Und jetzt merzen wir diese verfluchten Kreaturen ein für allemal aus.“
Als Eryl das hörte, zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen.
„Nein! Nein das dürft Ihr nicht!“, schrie er entsetzt. Der Paladin hob die Augenbrauen und sah ganz langsam auf den Elfen.
„Wie bitte? Und warum sagst du so etwas, Quel’Dorei?“
Tatsächlich warteten die Soldaten auf den Befehl loszuschlagen und beobachteten die Szene verwirrt, genau wie die Trolle.
„Das.. das ist Unrecht! Sie tun doch keinem was! Sie leben hier in Ruhe und wollen auch nur in Ruhe gelassen werden!“
Der Paladin lachte dreckig.
„Unrecht? Diese unheiligen Kreaturen frönen einem Leben mit ihren Heidnischen Zeremonien. Und immer wieder werden Karawanen von ihnen überfallen. Wir müssen sie von dem Angesicht dieser Welt tilgen und den verdorbenen Boden auf dem sie lebten reinigen. Also halt dich zurück, Elf.“
Er hob die Hand, wie um gleich das Startzeichen zu geben, doch Eryl packte ihn kräftig und hielt ihn unten.
„Nein! Bitte! Das sind doch nur Frauen und Kinder! Seht doch, sogar Säuglinge sind dabei!“
Er verzweifelte beinahe. Wie konnte ein Verfechter des Lichts nur so kaltherzig urteilen?
Der Paladin knurrte und wischte Eryl mit einer Handbewegung davon, sodass dieser hart auf dem Boden landete.
„Das kümmert mich nicht! Wir löschen sie aus, ehe sie sich weiter vermehren können. Und dann kümmern wir uns um ihre Männer, sobald diese zurück kommen.“
Eryl starrte den Mann finster an. Diese Kaltblütigkeit… Langsam stand er auf und ging rückwärts zu den Trollen. Er starrte ihn weiter an.
„Das Geschlecht der Menschen war schon immer Blind gegenüber dem, was um sie herum ist.“, sagte Eryl kalt und baute sich vor den Trollen auf. Korr machte einen Schritt zu Eryl und knurrte an diesem Vorbei auf die Menschen.
„Ihr missbraucht das Licht für eure Zwecke, Ritter. Dafür werdet Ihr Euch die Finger verbrennen, das schwöre ich.“
Der Ritter sah Eryl an und lachte dann lauthals.
„Du drohst mir, du schmaler Hänfling?!“
Die Soldaten lachten dreckig und entspannten sich etwas, als ihr Kommandant auf Eryl zuschritt.
Korr knurrte leise:
„Du musst das nicht tun, Windchen. Dir wird’s keiner übel nehmen, wenn du dich davon machst. Du bist frei. Wirft das nicht einfach weg.“
Eryl antwortete schlicht:
„Würde ich jetzt weichen, wäre ich keinen Dreck besser als diese Menschen. Ich mag nicht viel sein, aber ich bin definitiv mehr als _das_“
Er schluckte und griff nach Korrs Speer, der diesen sofort aushändigte.
„Vielleicht schaffe ich es, genug Zeit zu schinden…“, murmelte Eryl noch auf Trollisch, ehe er vor den Ritter trat und sagte:
„Ich fordere ein Duell! Wer gewinnt, verfügt über das Schicksal dieser Trolle.“
Der Paladin grinste nur und warf seine Schulterplatten und den Helm zur Seite.
„Dich stampfe ich ungespitzt in den Boden, Wurm.“, knurrte er tief und machte sich bereit zu kämpfen. Eryl, der selber das erste mal in seinem Leben einen Speer in Händen hielt, schluckte schwer.
‚Bitte lass mich lange genug durchhalten…‘, dachte er sich im stillen Gebet.
Als der Ritter dann auf ihn zu rannte, beugte sich Eryl erwartend und beobachtete den Menschen.
Als dieser zuschlagen wollte, duckte er sich blitzschnell unter dem mächtigen Schlag hindurch. Er holte mit dem Speer aus und stiess zu, rutschte jedoch an der dicken Plattenrüstung ab und stolperte. Der Ritter ergriff die Chance und liess sein Knie vorschnellen, grub es tief in den Magen des jungen Elfen, der sich keuchend krümmte. Sofort setzte der Ritter nach und verpasste Eryl einen Schlag in den Rücken. Sofort brach Eryl auf die Knie zusammen und keuchte gepresst, bis ein brutaler Tritt gegen den Kopf ihn zu Boden gehen liess.
„War das schon alles, du Knilch?“, grollte der Paladin finster und spuckte vor Eryl auf den Boden, „Dass ausgerechnet ein Hochgeborener sich vor diese Monster stellt. Du bist eine Schande für jeden lebenden Elfen, Junge!“
Eryl richtete sich mühsam auf. Sein Magen schmerze und auf seiner linken Wange klaffte ein Schnitt von den Plattenschuhen des Ritters. Er starrte diesen an.
„Die einzige Schande hier seid Ihr!“, fauchte der sonst so ängstliche Elf wütend. Alles in ihm war still, als er das sagte. Da war keine Angst, keine Vorsicht. Nur Wut und das dringende Bedürfnis für das einzustehen, woran er glaubte, „Ihr mordet Mütter, Kinder, Alte… im Namen des Lichts?! Ihr seid nicht mehr als ein Widerling, der sich einen Platz in den Reihen der Ritter ermogelt hat.“
Ein stilles Raunen ging durch die Anwesenden Soldaten, während der Blick des Paladins immer finsterer wurde. Er knurrte und holte mit dem Schwert aus, um Eryl die Klinge quer über die Brust zu ziehen.
„Ich warne dich, Kleiner. Noch würde ich dich laufen lassen. Aber wenn du so weiter machst dann…“
Eryl aber packte die Klinge, als sie auf ihn gerichtet war und sah hoch, schrie:
„Ach?! Ich lasse mir den Mund nicht von so einem Mistkerl verbieten! Stopft ihn mir doch!“
Er schrie absichtlich laut. Die Trolle _mussten_ einfach in der Nähe sein! Sie mussten!
Der Paladin entriss Eryl die Klinge, fügte ihm dabei tiefe Schnitte in der linken Hand zu und warf sie weg.
„Das reicht. Ich werde dich totprügeln, du verdammter kleiner…“
Er trat zu, bis Eryl wieder umkippte und riss ihn dann hoch, um ihn die Faust tief in den Magen zu schlagen. Einmal… zweimal… immer und immer wieder. Eryl japste die ersten male noch, ehe er nicht einmal mehr dazu in Stande war. Er würgte Blut hoch und hing, als der Paladin endlich eine Pause machte, aus den Mundwinkeln blutend schlapp in der Luft. Der Paladin knurrte nur und holte mit der Faust aus, um dem Elfen das halbe Gesicht zu zertrümmern, doch er kam nicht weit.
Ein Ruck ging durch den Körper des Paladins, als sich eine Trollaxt durch die Rüstung tief in seinen Rücken grub. Der Mann riss die Augen auf und liess Eryl fallen, der sofort wie ein Sack Mehl in sich zusammen brach und geschlagen liegen blieb. Der Mensch ging neben ihm zu Boden und starrte Eryl röchelnd an.
„W-was…ist…“, gab er gepresst von sich und Eryl lächelte zitternd.
„Du hast verloren… du bist dem ältesten Trick der Welt auf den Leim gegangen… während ich dich abgelenkt habe… konnten die Trolle zurück kommen… Anfänger…“
Er grinste nur, als er sah wie der Mensch ihn entsetzt anstarrte, dann verpasste einer der Trolle ihm jedoch mit einem Speer den Todesstoss.
Eryl schloss die Augen. Er wollte nicht sehen, wie die Soldaten niedergemetzelt wurden. Sie alle hatten vor lauter Zusehen vergessen aufzupassen und die Überraschung der Trolle war verheerend. Kaum fünf Minuten wurde gekämpft, da erklang schon der letzte Todesschrei der Menschen. Dann war es kurz Still. Lautes Jubeln brach bei den Trollen aus und Eryl drehte sich auf den Rücken. Er fühlte sich elend und das Blut lief immer noch aus seinem Mund. Alles schmeckte bitter und salzig und ihm war schwindlig.
Er sah, wie sich jemand über ihn beugte und spürte, wie er unsanft an den Haaren gepackt wurde.
„Ich wusste du bringst uns nur Unheil! Gut, dass du noch lebst. Dann kann ich dir doch noch selber ein Ende bereiten!“, schrie Tok’raz laut und hielt Eryl an den Haaren hoch und setzte mit seiner Klinge an der Kehle des Elfen an. Eryl schloss seinem Schicksal ergeben die Augen und wartete auf den Schnitt.
„Halt!“, rief Korr sofort und tatsächlich hielt Tok’raz inne. Er sah zu seinem Vater.
„Was?! Warum sollte ich auch nur eine Sekunde zögern?“
„Weil er uns alle gerettet hat!“, fauchte der Alte Troll seinen Sohn an und nahm Eryl auf die Arme. Der Elf atmete schon bedenklich schwach.
„Hätte er sie nicht lange genug abgelenkt, wären wir alle längst hinüber. Also denk‘ nicht mal im Traum daran ihn zu töten, Tok.“
Als Eryl hochgehoben wurde, verlor er langsam die Besinnung. Ihm wurde immer mieser zumute und irgendwann wurde es schwarz.

4

Als Eryl aufwachte, fühlte er sich nicht gerade gut. Es war nass und als er den Kopf hob, erkannte er, dass er wieder im Käfig lag.
Verwirrt wollte er sich aufrichten, als es auf ihn niederregnete, doch gleich hörte er:
„Bleib lieben, Windchen. Schone dich.“
„Naa’mi…?“, fragte Eryl leise und drehte den Kopf zu ihr rum. Sie sass neben dem Käfig und sah ihn traurig an.
„Windchen… es tut uns Leid. Tok'raz ist total ausgerastet. Er verlangte gleich nach deiner Versorgung, dich wieder hier rein zu stecken.“
Eryl lächelte müde.
„Schon gut. Ich weiss ja jetzt wieso er so ist.“, meinte er leise und hustete. Sein Körper tat weh und er fühlte sich trotz der offenbaren Kühle der Nacht glühend heiss.
„Ich fühl mich nicht so…“, murmelte er leise.
Naa’mi nickte leicht.
„Ja das sieht man dir auch an, Kleiner.“, meinte sie mitfühlend. Sie sah ihn lange an, dann fragte sie:
„Warum hast du uns geholfen?“
„Warum nicht?“, fragte Eryl zurück.
„Naja wir… Du hast Jahre in Gefangenschaft hier verbracht, Windchen. Tok’raz hat dich so oft schlecht behandelt.“
„Wenn ich ehrlich sein soll, ich weiss nicht genau warum. Aber ich wusste einfach, dass ich etwas tun muss. Frauen, Kinder, Alte… man mordet nicht einfach im Namen des Lichts. Ich konnte das nicht zulassen.“
Sie sah ihn lange an nach diesen Worten, dann meinte sie:
„Du hättest sterben können.“
„Ich war ohnehin des Todes. Also warum sollte mein Tod nicht wenigstens einen Sinn haben?“
Sie seufzte und lächelte traurig.
„Ach Windchen… ich hoffe Korr schafft es, seinen Sohn zu überzeugen. Er redet seit Stunden mit ihm. Aber jetzt muss ich dringend noch kochen, sonst wird mein Männchen sauer.“
Sie stand auf und sah nochmal auf den Elfen. Dann zog sie sich zurück. Eryl blieb zurück. Er fühlte sich mit jeder Stunde schlechter.

Aber Tok’raz erbarmte sich nicht. Er liess Eryl liegen. Und der Regen hörte nicht mehr auf. Eryl fror, schwitzte jedoch heftig wegen dem Fieber.
Irgendwann in der Nacht lief der Troll dann doch am Käfig vorbei und sah auf Eryl nieder. Er sah ihn an, einfach nur still an. Wie Eryl schwach atmend mit tiefen, dunklen Augenringen in der Mitte des Käfigs lag und sich kaum noch rührte.
Er starrte ihn nur noch an, bis Eryl irgendwann die Augen öffnete und dem Troll in die Augen sah. Ihre Blicke trafen sich und für einen Moment schien die Stille um sie herum regelrecht greifbar. Der Wind war der einzige, der sein zärtliches Lied des Blätterspiels über ihren Köpfen sang, untermalen von weit entfernten Klängen der Nacht. Dann seufzte der Troll leise.
„Ach scheisse. Vater hat Recht… ich kann dich nicht so verrecken lassen nachdem du das getan hast.“
Er schob die Stämme einfach beiseite, bis sie umkippten und ging zu Eryl, legte die Arme unter den schlappen Körper und hob ihn hoch. Er seufzte erneut, ehe er den Elfen einfach mitnahm und zu seinem Zelt lief.
Er schob sich durch die Ledervorhänge und legte den Elfen erst mal auf ein Fell, zog ihn aus, nahm einen Lappen und wusch den geschundenen Körper. Dann legte er ihn auf den Fellberg, der wohl eine riesige Schlafstelle sein sollte. Eryl atmete flach und beobachtete, wie der Troll eine Schale mit Kräutern füllte und diese dann anzündete. Er stellte die Räucherschale auf einen kleinen Holztisch in seiner Hütte und sah dann kurz raus, brüllte irgendwas von „suppe“ und sah zu Eryl.
„‘Ch muss mich noch entschuldigen.“, begann er dann, „Ich hätte dich nicht da liegen lassen dürfen. Aber ich hasse deinesgleichen. Warum musstest du auch den Helden spielen und mir diesen Hass verderben?!“
Er knurrte Eryl an, neben den er sich auf die Felle setzte.
„Grmlml… Aber danke, dass du es getan hast. Wir hätten nicht damit gerechnet. Wir wären viel zu spät gekommen.“
Eryl sah ihn an, murmelte dann:
„Ihr müsst… weg. Der Mensch sagte der Angriff sei geplant. Das heisst, sie wissen von dieser Siedlung. Es werden… mehr kommen und versuchen euch zu töten.“
Der Troll sah auf ihn runter, dann musste er lachen.
„Kleiner, du lässt mich gerade wie ein ziemliches Arschloch aussehen.“
Eryl brummte: „Bist du auch…“
Der Troll grunzte überrascht und sah runter auf den Elfen, der nur müde und kaputt an die Decke starrte. Dann musste er grinsen.
„Frecher mistkerl. Ginge es dir nicht so beschissen, hättest du jetzt eine Ohrfeige bekommen.“
Draussen wurde Naa’mis Stimme laut:
„Suppe ist fertig.“, verkündigte sie leise und Tok’raz stand auf. Er lief zu ihr und nahm ihr die Suppe unfreundlich knurrend ab, rief dann: „Deine Suppe ist fertig, beschissenes Langohr!“
Damit stampfte er zu Eryl und sah nach hinten, ehe er sich neben diesen Setzte und ihn etwas aufrichtete.
„Ich sag dir eines… ein Wort über das, was ich hier sage und tue und du bist tot. Verstanden?“
Eryl nickte müde und mit diesem stillen Versprechen des Schweigens, begann der Troll ihn zu füttern. Er brummelte ab und an und zeigte dabei eine Geduld, die Eryl ihm nie zugetraut hätte.
„Wir ziehen in einigen Tagen um. Ich werde morgen den Befehl dazu geben.“, meinte Tok’raz leise, „Und bei der Gelegenheit besorgen wir dir erst einmal ein kleines Zelt.“
Eryl sah hoch und dem Troll in die Augen. Verwirrt, fragend und neugierig. Ein Zelt?
Tok grunzte nur leise und brummte:
„Immerhin kannst du dich vorerst nicht bei den Menschen blicken lassen. Oder? Und Kämpften kannst du auch nicht, das werde ich dir erst mal beibringen.“
Der Elf sah ihn einfach nur still und verwirrt an, was dem Troll irgendwann ein gedrungenes Grinsen entlockte.
„Sieh‘ mich nicht so an, kleiner.“, bat er, „Ich habe lange mit mir kämpfen müssen, diese Entscheidungen zu treffen. Also nimm sie einfach an und sei‘ dankbar. Verstanden?“
Eryl nickte leicht und ass die Schüssel praktisch leer. Der Troll nickte zufrieden und legte alles wieder beiseite, deckte den Elfen zu und lehnte sich selber an einen der Stämme, mit denen sein Zelt gebaut war.
Er sog tief Luft in die grosse Nase ein und schloss die Augen. Stille legte sich über sie beide, als sie nur friedlich nebeneinander waren.
Einen Moment wartete Eryl, horchte und beobachtete, doch offensichtlich wollte Tok’raz ihm wirklich nicht mehr schaden. Als ihm dies bewusst wurde, entspannte er sich deutlich und schloss in seiner Erschöpfung die Augen, um kurz darauf in einen tiefen Schlaf zu fallen.

Eryl erholte sich langsam aber stetig. Während er in den Fellen lag, wurden draussen die Hütten abgerissen, es wurde gepackt und alles für den Umzug vorbereitet. Sie beeilten sich sichtlich, denn schon nach einem ganzen Tag Arbeit, war soweit alles bereit.
Den Elfen hatten sie nach draussen gesetzt, in ein Fell gewickelt und dabei immer unter den wachsamen Augen der Trollfrauen. Jeder wusste, wie schlecht es dem Quel’Dorei zur Zeit ging und darum wollte keiner das Risiko eingehen, nichts zu merken, sollte sich Eryls Zustand verschlechtern. Er wartete geduldig und irgendwann wurde er schliesslich von Tok’raz hochgehoben.
„Wir brechen auf!“, verkündete er laut, „Richtung Meer, wie geplant.“
Kurzer, aufrichtiger Jubel brach aus und dann setzten sie sich alle in Bewegung. Eryl sah einfach schweigend auf den Troll, der ihn den ganzen Weg über in den Händen hielt. Tok’raz wirkte eigentlich ganz nett, so aus der Nähe betrachtet, fiel dem Elfen nach kurzem auf. Die Augen waren so klar und ruhig, wenn sie nicht gerade vor Zorn glühten.
Er lehnte den Kopf etwas gegen die Brust des Trolls um noch etwas Schlaf zu bekommen, ehe sie an ihrem Ziel ankamen. Dabei lauschte er dem beruhigenden Geräusch des Trollherzens. Es klang kräftig und stolz, pochte regelmässig gegen das Ohr des Elfen, bis dieser wieder deutlich tiefer und ruhiger zu atmen begann.
Tok’raz sah nach unten und seufzte. Naja, irgendwie war der Elf ganz in Ordnung. Er wirkte auf seine Weise irgendwie sehr zerbrechlich und man fühlte sich beinahe dazu verpflichtet, ihn zu beschützen.
„Hast du endlich deinen Frieden mit ihm geschlossen?“, fragte Korr, der neben seinen Sohn herschlurfte. Er sah zu ihm rüber und ihre Augen trafen sich, als der junge Anführer den Kopf kurz drehte.
„Er sieht ihm ähnlich. Aber er war es nicht. Und er hat sich gegen die Menschen und für uns entschieden, obwohl wir nicht gerade freundlich zu ihm waren.“
Korr schwieg und sah ihn weiter an, schien auf noch mehr zu warten. Tatsächlich grummelte sein Sohn nach kurzem weiter:
„Er war bereit sein Leben zu geben, um unsere Weibchen und Welpen zu beschützen. Und er hat auch dir das Leben gerettet… ich kann das alles nicht mehr ignorieren, nur weil er dem Mörder meiner Mutter ähnlich sieht. Der alte Raa’zan hatte Recht. Sein Auftauchen hatte einen Grund. Wäre er nicht hier gewesen, hätten die Menschen sofort ohne zu zögern alle getötet. Nur weil er hier war, hatten wir die Chance hier noch rechtzeitig aufzutauchen.“
Korr lächelte matt.
„Mein Sohn hat endlich die Vernunft über seine Wut gestellt. Damit hast du in deinen jungen Jahren schon mehr erreicht als ich so alt war wie du.“
Der alte Troll klopfte seinem Sohn auf die Schulter und nickte nur anerkennend, was Tok’raz ein Lächeln entlockte. Gemeinsam gingen sie ihrer neuen Zukunft entgegen.

5

Es fand sich ein passendes Plätzchen nahe dem Meer, neben einem Fluss. Geschützt von einer hohen Felsenwand und der dichten Vegetation drum herum, erstreckte sich eine kleine Lichtung auf dem zarten Grün des Dschungelbodens.
Die Trolle begannen schon nach kurzem, ihre neue Heimat aufzubauen. Sie trugen Stämme heran, Fleisch und Felle, Steine und vieles mehr und während die Frauen kochten und die Trollwelpen zusammen beaufsichtigten und versorgten, bauten ihre Männer die ersten Grundgerüste für die neuen Hütten auf.
Er vergingen viele Stunden und sogar bis tief in die Nacht hinein wurde gearbeitet. Eryl bekam davon aber herzlich wenig mit. Er lag bei den Trollfrauen und deren Kindern in ein paar Felle gewickelt und erholte sich von den Strapazen der vergangenen Tage.
Erst als am nächsten Mittag die ersten Lederplanen über die Zeltgerippe gespannt wurden, wachte der Quel’Dorei langsam auf. Müde blinzelte er und liess seinen verschlafenen Blick über die neue Heimat der Trolle gleiten. Einige kleine Zelte waren schon fertig, andere waren kurz davor. Tiefer Respekt stieg in Eryls Herzen auf.
„So viel in so wenig Zeit.“, murmelte er leise und Naa’mi beugte sich vor sein Blickfeld und grinste ihn freundlich an.
„Guten Morgn‘ Penntüte.“, sagte sie fröhlich und setzte ein kleines Trollbaby vor den Elfen ab, „Du bist im Moment der einzige Kerl, der nicht arbeitet.“, sagte sie vergnügt und knuffte Eryl sanft gegen die Schulter.
„Au!“, empörte sich der Elf weinerlich und richtete sich etwas auf. Sie lachte nur dreckig.
„Und jammern tuste auch wegen gar nix! Sowas nennt sich Männchen… du bist doch eins oder?“
Sie tat so, als würde sie die Felle heben und nach Eryls Lendenschurz greifen, den er darunter trug, was dem jungen Mann ein entsetztes Quietschen entlockte.
Sie lachte und winkte ab.
„Ach da gibt’s eh nix zu sehn‘ bei so nem kleinen Männchen wie dir.“
Mit diesem Necken drehte sie sich um und widmete sich dem Kochtopf, der vor ihnen auf dem Feuer stand.
Eryl verzog das Gesicht, dann streckte er ihr die Zunge raus und machte leise: „Bäääh.“
Kaum getan, zuckte er erschrocken zusammen, als es laut neben ihm aufquietschte. Hektisch sah er sich um, sah aber nur in die grossen Augen eines quietschend lachenden Trollbabies.
Der kleine sah Eryl an und knabberte dabei fasziniert an seinem kleinen Daumen.
„Sogar der kleine lacht dich schon aus, siehste?“, neckte Naa’mi und lachte wieder, worauf sie noch eine heimtückische Zungen-rausstreck-Attacke von Eryl erntete. Und dieser ein erneutes, quietschendes Lachen des Kindes.
Er sah überrascht auf den kleinen und musste lächeln.
„Ach das findest du wohl witzig hrm? Bäääääh!“, sagte er amüsiert und streckte dem kleinen die Zunge raus. Erst geschah nichts, nur die grossen leuchtenden und neugierigen Augen sahen ihn an. Dann lachte der kleine laut los und zeigte auf den Elfen.
Eryl grinste, schüttelte den Kopf und brabbelte: „Bläääbläää!“
Der Kleine belohnte dies mit noch lauterem Lachen. Irgendwann musste dann auch Eryl beim Klang dieses hellen, fröhlichen Gequietsches selber schmunzeln und irgendwann brach auch er in Gelächter aus. Irgendwie kicherte der Kleine wunderbar ansteckend.
Er machte weiter, immer wieder machte er den Zungen-und-witzige-Geräusche-Trick. Und immer wieder mit dem selben Resultat. Als er schliesslich eine Pause einlegte, bemerkte er die Stille um ihn herum. Er hob den Blick und bemerkte erst dann, dass er gerade der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Absolut jeder Troll starrte ihn an, fassungslos. Nur das Baby krabbelte auf Eryl zu und versuchte nach dessen langen, roten Haaren zu grabschen.
Der Elf wurde tiefrot im Gesicht und liess den Kopf sogleich sinken, als er die vielen Blicke auf sich spürte, dann brach der ganze Klan in schallendes Gelächter aus.
Eryl versank regelrecht in den Fellen und glühte dort erst mal vor sich hin, ehe Naa’mi ihm auf den Rücken klopfte.
„He komm mal wieder da raus, Kleiner. Du warst nur gerade ziemlich niedlich mit dem Winzling.“
Der Elf grummelte nur leise vor sich hin, bis die Trollin ihm das Fell über dem Kopf wegzog und eine Schüssel mit Fleisch hinhielt.
„Hier Windchen, für den lustigen Elfen. Du musst wieder zu Kräften kommen, damit du bald dein eigenes Zuhause beziehen kannst.“
Eryl hob den Kopf und legte ihn fragend schief, folgte mit den Augen ihrer Geste und erblickte ein kleines Zelt, zwischen den anderen. Es war nicht ganz so gross wie die restlichen, aber bereits fertig aufgebaut. Seine Augen wurden immer grösser, ehe er zu Naa’mi sah, die ihn nur angrinste.
„Aye, dein ganz eigenes. Kein Käfig mehr. Kein Regen mehr in der Nacht.“
Er war sprachlos und starrte so intensiv auf sein zukünftiges Zuhause, dass er nicht mal merkte, wie das Trollbaby sich die roten, geschmeidigen Haare des Elfen in den Mund steckte. Naa’mi, der dies nicht entging, kicherte leise und begann mit Fleisch gefüllte Holzschalen an die arbeitenden Männer zu verteilen.
Als der Tag sich langsam seinem Ende näherte und der Dschungel vom sanften Licht der Abendröte durchflutet wurde, der alles in ein sachtes Gold zu tauchen schien, waren die Hütten alle fertig. Die Trolle schwärmten aus und bezogen ihre Hütten, bauten in der Mitte auf dem kleinen Dorfplatz eine grosse Feuerstelle auf und gingen jagen.
Alle waren geschäftig und irgendwann kam Tok’raz auf Eryl zu und warf Naa’mi einen kurzen Blick zu. Die Trollin musste grinsen, als sie sah, dass Eryl wieder eingeschlafen war, an ihn gekuschelt noch der kleine Welpe, immer noch an den Haaren nuckelnd.
„Weck ihn auf, er soll den Abend nicht verschlafen.“, meinte der Troll und grinste, reichte ihr dann zwei Schalen mit Farbe. Sie sah auf diese und blinzelte.
„Willst du etwa-,“, begann sie und Tok nickte:
„Aye. Er wird heute in den Stamm aufgenommen. Nicht als Troll, dafür isser zu hässlich. Aber als Freund des Stammes. Also bereite ihn vor.“
Sie nickte und wartete, bis der Häuptling davongeschlurft war, ehe sie Eryl sanft weckte.
„He, aufstehen Kleiner. Du verschläfst sonst deine Zeremonie.“
Eryl zuckte aus dem Schlaf hoch und blinzelte.
„Hrm? Was? Welche Zeremonie?“
Sie grinste ihn nur an, packte ihn und richtete ihn auf. Als sie sah, dass er nur einen Lendenschurz trug, kicherte sie.
„Richtig angezogen bist du schon. Steh‘ mal auf.“
Kurz zögerte er, ehe er sich vor ihr aufrichtete. Sie tunkte die Finger in die Farben und begann, seinen Körper mit langen Linien zu überziehen. Er bekam die selben Zeichnungen, wie jeder junge Troll, der in den Status eines Mannes erhoben wurde.
Eryl liess sie machen. Er beobachtete sie verwirrt bei ihrem Tun und immer mal wieder musste er kichern, als ihre Finger ihn kitzelten. Irgendwann besah sie ihn nochmal genau, ehe sie zufrieden grinste und nickte.

***********************

Wichtig: Diese geschichte ist noch nicht zu ende! Es nur "nur" das, was ich bisher geschrieben habe Very Happy
Die nächsten Teile kommen bald.

Eryl

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